Archiv für die Kategorie ‘Didaktik’

Nach den PISA-Studien der OECD setzte der Kompetenzbegriff die Kriterien für guten Unterricht. Kritiker werfen der Kompetenzorientierung des Philosophieunterrichtes vor, genuine Ansprüche philosophischer Bildung zu unterlaufen und Philosophieunterricht auf eine einseitige Ausbildung formaler Fähigkeiten im Kontext einer Ökonomisierung der Bildung zu reduzieren. Befürworter hingegen sehen in der Kompetenzorientierung genau den Zweck des Philosophieunterrichts realisiert, dass Schülerinnen und Schüler selbstständig philosophieren lernen. Nach einer Studie von Geiß (2017) basiert die Kritik an der Kompetenzorientierung auf einer unzureichenden Lesart des Weinertschen Kompetenzbegriffes. Deswegen schlägt er eine eigene philosophiedidaktisch-bildungstheoretische Explikation vor, welche die Einwände entkräften und eine fachlich adäquate Kompetenzorientierung konstituieren soll. Dieser Aufsatz diskutiert, dass der Kompetenzbegriff nach Geiß zwar einige begriffliche Probleme lösen kann, aber für die prinzipiellen Probleme anfällig bleibt, die sich aus der Steuerung von Unterricht durch die Kompetenzorientierung für das Philosophieren ergeben.

Der Aufsatz wurde in der Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik 4/2019 publiziert. Ein Entwurf des Artikels kann hier heruntergeladen werden. Ich bitte darum die  in der ZDPE 4/2019 publizierte Version zu zitieren.

In der schulischen Praxis ist von Bildungsprozessen meist nur noch als Kompetenzerwerb die Rede. Die Kompetenzorientierung, welche den Kompetenzerwerb — also den Erwerb von Voraussetzungen für ein spezifisches Können (Weinert, 2001, S. 62) — als primären  Zweck von Unterricht ausweist, ist allerdings aus einer bildungstheoretischen Perspektive  ein wenig aussichtsreicher  Kandidat dafür, die Idee der Bildung zu ersetzen, können sie doch nach Bieri (2010, S. 205f.) als kategorial verschieden betrachtet werden: „Eine Ausbildung durchlaufen wir mit dem Ziel, etwas zu können. Wenn wir uns dagegen bilden,  arbeiten wir daran, etwas zu werden – wir streben danach, auf eine bestimmte Art und Weise in der Welt zu sein.“ Wie „Bildung“ als Kategorie zur Beurteilung philosophischer Lehr- und Lernprozesse fruchtbar gemacht werden kann, ist hier Thema. Weiterlesen auf praefaktisch (Gastartikel)

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Nun war ich innerhalb von einer Woche auf zwei philosophiediaktischen Tagungen und bin von beiden begeistert. Es hat gut getan mit vielen kritischen Kollegen streitbar aber stets sachlich zu diskutieren. Hinzukommt, dass meine beiden pädagogisch-didaktischen Schwerpunktsthemen: Die Ökonomisierung der Bildung und das Problem der Kompetenzorientierung im Philosohieunterricht auf den Tisch gekommen sind.

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Die maßgeblich von der OECD beeinflusste Kompetenzorientierung nach Weinert (2001) und Klieme et al. (2009) gilt inzwischen auch in der Philosophiedidaktik als Paradigma. Wegen ihrer hohen Anfangsplausibilität blieb sie weitestgehend unwidersprochen, denn sie scheint nach Rösch (2009) und Tiedemann (2014) genau das zu meinen, was Anliegen philosophischer Bildung ist: eine Orientierung im Denken. Gegen diese Position vertrete ich die These, dass Kompetenzorientierung Philosophieren verhindert. Zur Stützung dieser These wird erstens eine bildungsphilosophische Argumentation entfaltet und zweitens werden Konsequenzen für die Unterrichtspraxis aufgezeigt.

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In der Schule sollen Jugendliche zur Selbständigkeit erzogen werden – auch beim Lernen. Es macht aber einen großen Unterschied, ob Schüler selbstgesteuert oder autonom lernen. Was wie Wortklauberei klingt, ist in Wahrheit die Wahl zwischen zwei Lernkulturen. Weiterlesen auf Bildungslücken (Gastartikel) 

Hattie – und kleine Klassen sind doch wichtig!

Veröffentlicht: Juni 25, 2014 von C.R. in Didaktik
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Gerade komme ich aus einem Workshop mit Klaus Zierer, der die bekannte Studie John Hatties „Visible Lerarning“ ins Deutsche übersetzt hat. Die Hattie-Studie wird gerne in Presse und Politik herangezogen, um bildungspolitische Entscheidungen zu legitimieren, ohne dass dabei wirklich eine kritische, inhaltliche Auseinandersetzung stattfinden würde. Zierer sprach diesbezüglich von einem „Fast-Food Hattie“.

Gerade zwei Äußerungen fand ich diesbezüglich besonders spannend: Wenn man der Methodik der Meta-Analyse zustimmt, dann hat Hattie u.a. nachgewiesen, dass nichts so entscheidend für guten Unterricht ist, wie die Lehrerpersönlichkeit und eine gute, professionelle Beziehung zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen.  Dem gegenüber scheint die oft nach Hattie zitierte Aussage zu stehen, dass kleinere Klassen keinen Effekt für besseren Unterricht hätten (vgl. z.B. ZEIT-ONLINE). Dies widerspricht nicht nur der Erfahrung vieler Schulpraktiker:innen und Schüler:innen – Hattie hat dies auch nicht gesagt.  Hattie weist nur nach, dass eine alleinige Reduzierung der Klassengröße keinen Effekt erzielt. Aber dies hat auch niemand ernsthaft behauptet. Selbstverständlich kann man auch in kleinen Klassen schlecht unterrichten. Wohl aber sind kleine Klassen eine Voraussetzung für bessere Schüler:innen-Lehrer:innen-Interaktion und eben auch für eine intensivere professionelle-personale Beziehung zwischen Schüler:innen und Lehrer:innen. Und diese haben wiederum einen messbaren Effekt für den Lernerfolg.

Ferner ist aber nicht nur der Lernerfolg entscheidend für gelingenden Unterricht oder gar eine gute Schule. Ebenso wichtig sind die Fragen: Was ist eine freudvolle Schule: Erleben Schüler:innen eine erfüllte Lebenszeit und entwickeln sie Leidenschaft für ein Fach? Oder wird der Lernerfolg auf Grund von Drill erkauft? Grundschulen in China, so Zierer, haben nicht nur eine sehr hohe Effektstärke für den Lernerfolg, sondern auch die höchste Selbstmordrate unter Grundschülern. Weiterhin kann man nach der kulturellen Passung der Schule fragen: Warum sind Pädagogik und Philosophie keine Kernfächer und warum werden stattdessen MINT Fächer so stark gefördert? In einer technischen Lebenswelt ist natürlich physikalisches Wissen wichtig – etwa hinsichtlich aktueller Ereignisse wie dem Ausstieg aus der Kernenergie. Aber genau so wichtig ist es Kinder auf ihre Rolle als Eltern vorzubereiten und sich ethische zu orientieren.  Diese Fragen, so Zierer, sind bedeutsam für eine gute Schule, aber auf sie kann die Hattie-Studie keine Antwort liefern.

Einen Vortrag von Klaus Zierer zur Hattie Studie kann man sich hier ansehen.